Schröder. Einfach nur Schröder.
Vor 32 Jahren wurde Schröder nachts an der Haustür bei mir abgegeben. Er ist jetzt 34 Jahre alt. Eine Nachbarin war es, die sich von ihrem Mann getrennt hatte und gerade dabei war, ihn in einer Nacht-und Nebelaktion zu erlassen. Schröder erwies sich in der nächsten Zeit überhaupt nicht als ein Kinderpony. Wenn ein Kind mal auf ihm saß, dann buckelte er, warf es ab und verpasste ihm noch einen Tritt mit den Hinterhufen.
Manchmal konnte man auf ihm reiten. Weil er es wollte. Wollte er nicht mehr, entledigte er sich seines „Peinigers“. Irgendwann hatten meine Kinder und die Kinder aus der Nachbarschaft die Nase voll und ließen ihn einfach in Ruhe. Schröder genoss sein Leben, genau wie es ihm gefiel. Im heißen Sommer lief er durch den Stromzaun der Weide und stellte sich in die kühle Garage des Nachbarn.
Nachdem wir ihn dort Tag für Tag abgeholt hatten und er immer wieder dorthin abhaute, beschloss mein Nachbar sein Auto nach der Arbeit draußen zu parken und den Dung, den Schröder immer hinterließ, für seinen Garten zu gebrauchen.
Manchmal lief Schröder aber auch einfach mit Spaziergängern mit. Irgendwann, wenn er keine Lust mehr hatte, drehte er um und kam auf dem Bürgersteig wieder nach Hause. Sorgt man dafür, dass er keinen Freiraum mehr hat, steht er tagelang mit hängendem Kopf da und seine Augen spiegeln pure Traurigkeit. Das will doch keiner für diesen wunderbaren (B)Engel!
Also bekommt er das, was ihn glücklich macht. Seine Freiheit und darüber hinaus, seine Lieblingsfuttersorten, die Tag für Tag variieren. Außerdem hasst er zusammengemischtes Futter. Deshalb muss in seine Schüssel alles getrennt abgelegt werden.
Schröder sperrt sich, nachdem er im Hof, Futterkammer und in jeder Ecke alles inspiziert hat, selbst auf dem Paddock ein. Er hat einen Schleichweg, den er dann nutzt, wenn er denkt, es ist Zeit zu seinen Freunden zu gehen. Dann spielt er den ganzen Tag, dass er eingesperrt wäre, obwohl er jederzeit rausgehen könnte. Das ist Schröder. Manchmal hat er Glück und das Hoftor steht offen, sodass er schnurstracks zum Aldi trottet, denn dort wächst saftiges Gras. Er läuft auch ganz brav auf dem Bürgersteig.
Schröder öffnet in der Futterkammer auch das Futter seiner Wahl, isst bis er satt ist und dann geht er wieder. (Aber ein Chaos hinterlässt er immer!) Jedes andere Pony würde sich tot essen, aber nicht unser Schröder.
Leckerlis mag er nur einige Sorten, ansonsten kneift er seine Lippen fest zu. Also testen wir ständig aus, ob die Leckerbissen Schrödergeeignet sind.
Abends, wenn wir Gute Nacht sagen und die Tröge einsammeln, bekommen alle etwas trockenes Brot oder Möhrchen. Außer Schröder. Er bekommt sein Schokobrötchen, sein Croissant oder Kranzkuchen. Hufe scharrend wartet er immer schon darauf und niemand vom Seelenhof würde es wagen, ihm das vorzuenthalten, denn dann kommt wieder der traurige Blick und es bricht einem das Herz. Über Schröder könnte man Bücher schreiben, denn er stellt immer irgendetwas an und sorgt oft für heilloses Chaos. Doch niemand kann ihm böse sein, denn er hat so einen wunderschönen, völlig unschuldigen Blick, dem man nie widerstehen kann …
Er ist halt Schröder. Einfach nur Schröder.